Seltene Erden

Seltene Erden


Interview mit einem Experten über den Rohstoff Seltene Erden:

Rede und Antwort steht ein Experte zum Thema Seltene Erden: Dr. Volker Zepf. Er hat Geographie studiert und eine Doktorarbeit über die Seltenen Erden geschrieben. Er unterrichtet und forscht in seinem eigenen Unternehmen, an Universitäten und Hochschulen.

Frage: Was sind denn die Seltenen Erden genau?

Dr. Zepf: Seltene Erden ist eine Bezeichnung für eine Gruppe von insgesamt 17 Elementen. Diese sind in der 3. Hauptgruppe des Periodensystems zu finden: Scandium, Yttrium und die 15 Lanthanoide mit den Bezeichnungen Lanthan, Cer, Praseodym, Neodym, Promethium, Samarium, Europium, Gadolinium, Terbium, Dysprosium, Holmium, Erbium, Thulium, Ytterbium und Lutetium. Oft wird für de Seltenen Erden nur die Abkürzung SEE geschrieben oder im englischen Sprachgebrauch REE (Rare Earth Elements). Es handelt sich um bedeutende Rohstoffe, von denen jedes einzelne sehr besondere Eigenschaften besitzt. Zum Beispiel lassen sich aus Scandium Spezialstähle herstellen, die in Flugzeugtriebwerken benötigt werden. Lanthan verbessert als Katalysator die Umwandlung von Erdöl zu Benzin, Cer ist ein ideales Glas-Schleifmittel, Neodym ist für die stärksten Dauermagnete (z.B. in manchen Windrädern oder Smartphone-lautsprechern) unerlässlich und Europium wird in LEDs benötigt. Obwohl es also so viele einzelnen Elemente sind, und jedes wiederum völlig unterschiedliche Anwendungsgebiete hat, werden die Seltenen Erden meist als Gruppe angesprochen. Dadurch werden aber alle diese Unterschiede über einen Kamm geschert.

Frage: Sind die Seltenen Erden denn wirklich so selten, wie es ihr Name sagt?

Dr. Zepf: Nein, das ist ein häufiges Missverständnis. Die Seltenen Erden wurden etwa zwischen 1800 und 1950 entdeckt. Zu der Zeit waren die gefundenen Erzbrocken eher ‚seltsame‘ Gesteine, die bis dahin unbekannt waren, deshalb wohl der Name ‚selten‘. Zu jener Zeit wusste sicher noch niemand, ob diese Elemente tatsächlich selten auf der Erde vorkommen. Heute sind viele Orte auf der ganzen Welt bekannt, wo es Erze mit SEE gibt. Die größten Vorkommen liegen in Russland, China, Australien, Grönland, aber es gibt auch kleinere Erzkörper in Deutschland, Skandinavien – im Prinzip auf der ganzen Welt.

Frage: Es gibt nun eine Menge an wissenschaftlichen Studien, in denen die Seltenen Erden als kritische Rohstoffe eingestuft wurden. Wie passt das damit zusammen, wenn es diese Stoffe auf der ganzen Welt gibt?

Dr. Zepf: In diesen Studien haben Wissenschaftler überlegt, welche Industriezweige und Produkte für ein Land von besonderer Bedeutung sind. Dies sind z.B. Maschinen, Roboter, Autos usw. aber auch für Grüne Technologien wie Solaranlagen oder Windräder. Im nächsten Schritt wurde analysiert, welche Rohstoffe in diesen Produkten unbedingt benötigt werden und nicht durch andere Rohstoffe ersetzt werden können. Im letzten Schritt wurde dann geschaut, aus welchen Ländern diese besonderen Rohstoffe überwiegend kommen; ob es da politische Probleme oder Unruhen gibt oder ob es irgendwelche Monopolstellungen gibt. Wenn es nun also wichtige Produkte gibt, und die Versorgung mit den nötigen Rohstoffen nicht völlig sicher ist, dann wird ein Rohstoff als ‚kritisch‘ klassifiziert. Hierunter fallen auch die Seltenen Erden, weil sie in vielen High-Tech-Produkten benötigt werden und derzeit etwa 90% aller Seltenen Erden in China gefördert werden, so dass quasi die ganze Welt von China abhängig ist.

Frage: Warum werden dann keine anderen Bergwerke eröffnet?

Dr. Zepf: Es gibt schon einige Bergwerke, die vor wenigen Jahren mit der Produktion begonnen haben. Außerdem werden in den Jahren 2018 bis 2020 wahrscheinlich mehrere weitere Bergwerke starten, vor allem in Australien, Indien und Burundi. Je nachdem, wie sich die Preise für die Rohstoffe der Seltenen Erden entwickeln, wenn die Preise weiter leicht steigen, ist es wahrscheinlich, dass zusätzliche Bergwerke eröffnet werden. Das Problem dabei ist, dass es ca. 10 Jahre Zeit kostet, um ein Bergwerk zu eröffnen, von der Planung bis zur Produktion. In dieser Zeit müssen viele rechtliche Aspekte geklärt, Genehmigungen eingeholt und die Bevölkerung überzeugt werden. Zudem wird viel Kapital benötigt ohne dass etwas verdient wird. Erst mit der ersten Lieferung von Rohstoffen kann Geld verdient werden. Dann müssen zunächst die Kosten von 10 Jahren wieder erwirtschaftet werden, bevor das Bergwerk gewinnbringend arbeiten kann. In dieser langen Zeit kann jedoch viel passieren, Preise können sinken oder unerwartete Probleme auftreten, so dass viele Unternehmen sich davor scheuen, in ein neues Bergwerk zu investieren.

Frage: Es heißt oft, dass Seltene Erden sehr teuer sind?

Dr. Zepf: Das ist nur bedingt richtig. Ende 2010 hat China angekündigt, die erlaubte Exportmenge für Seltene Erden zu reduzieren. Das hat zu einer Art Panik geführt, weil nun viele Firmen dachten, dass China keine Seltenen Erden mehr liefern würde. Das war aber falsch gedacht. Dennoch stiegen die Preise für alle Seltenerdelemente in der ersten Jahreshälfte 2011 enorm; allerdings begannen etwa Mitte 2011 die Preise wieder zu fallen. Sie taten dies bis Ende 2016, als die Seltenen Erden billiger waren als 2010. Erst seit 2017 haben die Preise wieder etwas zugelegt, vor allem für den Magnetwerkstoff Neodym; sie liegen aber immer noch weit unter den Höchstständen von 2011. Wohin sich die Preise entwickeln werden ist unklar, denn die neu eröffneten Bergwerke vergrößern das Angebot und tragen zu einem Wettbewerb und hoffentlich stabileren Preisen bei.

Frage: Noch eine letzte Frage. Welches ist heute wohl das bedeutendste Seltenerdelement?

Dr. Zepf: Das ist sicherlich das Neodym, das für die Produktion der stärksten Dauermagnete, auch Permanentmagnete genannt, unbedingt benötigt wird. In der Zusammensetzung von etwa 27% Neodym, 72% Eisen und 1% Bor lässt sich ein extrem starkes Dauermagnet vom Typ Neodym-Eisen-Bor (NdFeB) herstellen, das in Elektromotoren und Generatoren benötigt wird. Die Magnete können dabei winzig klein sein, z.B. im Vibrationsmotor eines Smartphones (Magnetgewicht ca. 0,1g) bis hin zu einem Magnet im Windrad, das dann leicht mehr als eine Tonne wiegen kann. Neben der Anwendung in Magneten wird Neodym auch als Farbpigment, als Katalysator und in Lasern benötigt. Diese Anwendungen spielen mengenmäßig jedoch kaum eine Rolle.